„Klärschlamm“ - was heißt das hier eigentlich?
Der Begriff „Klärschlamm“ bezeichnet hier die Masse, den Feststoff, der am Ende einer überall bei uns in Städten und Gemeinden zu findenden modernen 3-stufigen Abwasserkläranlage übrigbleibt und entsorgt werden muss. Das gereinigte Wasser geht ja zurück in öffentliche Gewässer.
Woraus setzt sich Klärschlamm überhaupt zusammen?
Der Kläranlage zulaufendes Abwasser enthält in diesem Fall u.a. menschliche Ausscheidungen, Seifen aus Spül- und Waschabwasser, schwermetallhaltige Staubpartikel, Mikroplastik, Keime, Reste aus Arzneimitteln wie Wirkstoffrückstände oder Hormone. Zugesetzte Mikroorganismen, mit denen jede moderne Abwasserkläranlage arbeitet, bilden am Ende zusammen mit den genannten Schadstoffen oder deren Umwandlungsprodukten den Klärschlamm.
Was passiert und passierte bis jetzt mit dem Klärschlamm?
Bis 2005 wurde der Klärschlamm (nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) eingestuft als nicht gefährlicher Abfall) neben der landwirtschaftlichen Verwertung auch auf speziellen Deponien entsorgt. Seit 2005 dürfen Abfälle mit mehr als 6 % Kohlenstoffgehalt nicht mehr deponiert werden. Also auch der Klärschlamm nicht, ein zweites Kriterium dafür: sein Geruch. Übrig bleibt seitdem der Einsatz in der Landwirtschaft als Dünger (Düngegesetz (DüngG) §2 Abs. 1, 6-8).
Warum geht das Düngen der Äcker mit Klärschlamm zukünftig nicht mehr?
Die 18. Bundesregierung (2013-2017) beschloss in ihrem Koalitionsvertrag: „Fehlentwicklungen [sollen] korrigiert werden. Wir werden die Klärschlammausbringung zu Düngezwecken beenden und Phosphor und andere Nährstoffe zurückgewinnen.“ Dementsprechend wurden 2017 die Düngemittelverordnung (DüMV) und die Klärschlammverordnung (AbfKlärV) angepasst: Klärschlamm darf hinsichtlich seiner Schadstoffmenge nur noch in sehr kleinen Mengen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen landen. Bis 2023 müssen die Klärschlammverursacher, also die Kommunen, ein Konzept vorstellen, wie sie ihren Klärschlamm spätestens ab 2029 entsorgen wollen und dabei möglichst hochwertig verwerten, also u.a. gleichzeitig Phosphor rückgewinnen.
Warum den Klärschlamm zukünftig verbrennen?
Da das Deponieren des naturgemäß stark kontaminierten Klärschlamms als Entsorgungsweg wegfällt, ebenso der Einsatz als Dünger, und es für den Klärschlamm direkt keinen großtechnischen Recycling-Ansatz gibt, ist das Verbrennen ohne Alternative. (Etablierte großtechnische Verfahren greifen erst im Zuge der angeschlossenen Phosphor-Rückgewinnung.)
Warum sind Kommunen, die nicht unter die zukünftige Gesetzgebung fallen, in der KNRN?
Ja, das stimmt: Ab 2032 bzw. 2029 müssen nur kommunale Kläranlagen der Größenklasse GK4b bzw. GK5 ihren Klärschlamm thermisch verwerten. Das sind Kläranlagen, die für mehr als 50.000 bzw. 100.000 Einwohner ausgelegt sind. Warum sind dann heute schon kleinere Kommunenin der KNRN dabei? Berechtigte Frage. Ganz einfach: Sie waren vorausschauend, haben das Thema „Kommunaler Klärschlamm“ ökologisch wie ökonomisch für sich mit Weitblick langfristig, zukunftssicher, ganzheitlich und nachhaltig proaktiv zu Ende gedacht. Da auch Kleinstädte bereits Probleme haben, eine Entsorgungslösung zu finden, ist auch für sie schon heute klar: Langfristig läuft es, politisch und gesellschaftlich gefordert, darauf hinaus, Klärschlamm wegen seiner Schadstoffe (s. FAQ „Woraus setzt sich Klärschlamm überhaupt zusammen?“) komplett aus der Landwirtschaft zu verbannen, denn Klärschlamm ist und bleibt genauso Abfall wie Problemstoff. Insofern: Bedarf erkannt (bevor er Zwang wird), Chance gesehen, Chance ergriffen.
Wie funktioniert eine Mono-Klärschlammverbrennungsanlage?
Für das alleinige Verbrennen von Klärschlamm (mono: entscheidend für das Phosphor-Recycling) gäbe es grundsätzlich mehrere großtechnisch mögliche Verfahren. Die KNRN entschied sich für den Wirbelschichtofen aufgrund der „Einfachheit der Technik“: keine mechanisch beweglichen Teile, kaum Verschleiß, sehr flexibel in puncto Trocknungsgrad des Klärschlamms, einfacher Betrieb – kurze An- und Abfahrzeiten des Verbrennungsprozesses, die Möglichkeit, den Ofen zeitweilig außer Betrieb zu nehmen u.a. Außerdem sind Wirbelschichtöfen bewährte Technologie: Es gibt in Deutschland bereits rd. 20 Referenzanlagen.
Ein Wirbelschichtofen geht so:
Klärschlamm mit mindestens 46 % Trockensubstanzgehalt wird ohne Zugabe fossiler Energie in den Ofen gegeben. Bei voller Verbrennungsleistung 4,2 t/h. Der Ofen läuft auf mind. 850 °C. Die gesetzlich vorgeschriebenen zwei Sekunden, die der Klärschlamm im Ofen verbringt, zerstören alle organischen Stoffe. Die organischen Verbindungen bilden ein Abgas aus überwiegend Kohlendioxid (biogener Ursprung, Klimaneutralität ist gewährleistet), Sauerstoff und Stickstoff in Verbindung mit mineralischem und schwermetallhaltigem Staub.
Was passiert mit dem staubigen Abgas der Verbrennungsanlage?
Ein Abhitzekessel kühlt das Gas. (Der entstehende Dampf geht über Turbinen in die Energierückgewinnung.) Es schließt sich die Abgasreinigung an. Sie trennt grundlegend gasförmige Schadstoffe wie Schwefeldioxid von staubförmigen Komponenten. Die erste Reinigungsstufe scheidet mit Phosphor angereicherte Asche ab, Ausgangsstoff für das spätere Phosphor-Recycling. Das jetzt weitestgehend staubfreie Gas wird mittels Additiven und Aktivkohle weiter von Restschadstoffen befreit und noch einmal gefiltert. Der hier anfallende Filterstaub ist Abfall und wird gesetzeskonform entsorgt. Die am Ende zu über 99,99 % geklärte Luft durchströmt eine abschließende Abgaskontrollmessung und geht durch den Kamin ins Freie.
Wer entschloss sich wann warum für welche Lösung?
Klärschlamm ist, wie Abfall generell, ein Wirtschaftsfaktor und wird auf dem Markt entsprechend teuer gehandelt – a) ein Problem für privatwirtschaftlich geführte Anlagen, die ständig Profit-getrieben sind und unabhängig vom Marktpreis ihre Auslastung sicherstellen müssen. b) ein Problem für Kommunen ohne eigene Anlage, die ihre Klärschlammentsorgung europaweit ausschreiben müssen und gezwungen sind, die Preise zu zahlen, die angeboten werden. Damit verbundene Umwelt-, Klimaschutzaspekte (Transport etc.) ganz außen vor. Darum machten am 26.3.2019 neun Kommunen in Südniedersachen aus der Not eine Tugend und gründeten die KNRN – Kommunale Nährstoffrückgewinnung Niedersachsen GmbH. Zweck der Gesellschaft: planen, finanzieren, bauen, betreiben einer Mono-Klärschlammverbrennungsanlage in Hildesheim, die sich aus dem Verbrennen des im Gesellschafterkreis anfallenden Klärschlamms heraus selbst trägt. Weitere 13 Kommunen schlossen sich am 28.11.2019 diesem autarken interkommunalen Projekt als KNRN Gesellschafter an. Am 26.06.2020 kam dann auch die Stadt Einbeck dazu.
Warum eine Anlage im Hildesheimer Hafen und nicht anderswo?
Hildesheim als Standort der gemeinschaftlichen kommunalen Verbrennungsanlage hat entscheidende Pluspunkte: a) direkte, synergetisch wertvolle Nachbarschaft zur Abwasserkläranlage der Stadtentwässerung Hildesheim, der größten Installation im Kreis der beteiligten Kommunen. b) die gute Transportanbindung per Bahn, Schiff und Lkw, denn alle Gesellschafter der Anlage legen größten Wert auf den nachhaltigen Einsatz von Transportmitteln.
Wie steht die Verbrennungsanlage in Sachen Nachhaltigkeit, Klima-, Umweltschutz da?
Die Anlage erfüllt bzw. übererfüllt alle Vorgaben des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG), konkretisiert in Verordnungen (BImSchV). Die für die Anlage relevanten:
- 4. BImSchV – über genehmigungsbedürftige Anlagen
- 9. BImSchV – über das Genehmigungsverfahren
- 17. BImSchV – über das Verbrennen und Mitverbrennen von Abfall
- 39. BImSchV – über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (umgesetztes EU-Recht)
Der präferierte Standort, das angestrebte Flurstück, im Hildesheimer Hafen steht durch seine bestmöglich denkbare infrastrukturelle Anbindung (Bahn, Schiff) für praktizierte Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Ebenso die Entscheidung der Gesellschafter, eine regional autarke Anlage mit rein regionalem Geschäftsgebiet zu betreiben: kein Klärschlamm-Tourismus aus der Region nach Europa, kein Klärschlamm-Tourismus aus Europa in die Region.
Wie sieht der Zeitplan aus, entstehen Arbeitsplätze?
Die Anlage im Hildesheimer Hafen soll in den Jahren 2024 bis 2026 errichtet werden und Ende 2026 in Betrieb gehen. Ab 2027 soll sie voll ausgelastet laufen, das heißt: den gesellschaftlich beteiligten Kommunen uneingeschränkte Entsorgungssicherheit für ihren Klärschlamm garantieren.
Mit Inbetriebnahme der Anlage entstehen ca. 20 neue Arbeitsplätze.
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